Im Vergleich zur Energiewende im Stromsektor, bei der bereits einige Fortschritte zu verzeichnen sind, hinkt der Wärmesektor bei dem Wandel hin zu einer nachhaltigen klimaneutralen Wärmeversorgung deutlich hinterher. Dabei macht die Bereitstellung von Wärme einen erheblichen Anteil am Energieverbrauch aus, nämlich etwa 56% durch Wärmeversorgung im Gebäudebereich und industrieller Prozesswärme (Walter, 2017, S. 7). Energieträger, wie fossiles Erdgas oder Heizöl, spielen dabei nach wie vor eine dominierende Rolle. Erneuerbare Energien in der Wärmebereitstellung machen bundesweit einen Anteil von lediglich knapp 18 Prozent aus (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022). Diese Zahlen zeigen deutlich, dass im Wärmesektor vermehrter Handlungsbedarf besteht, um das Ziel des Bundes, ein treibhausgasneutraler Gebäudesektor bis 2045, erreichen zu können.
Auf dem Weg hin zur Treibhausgasneutralität sind effektive Maßnahmen notwendig, die den Anteil der Erneuerbaren Energien in der Wärmeversorgung deutlich steigern und die Entwicklung hin zu einem energieeffizienten Gebäudebestand beispielsweise durch energetische Sanierung vorantreiben (Energie- & Klimaschutzinitiative Schleswig-Holstein, 2021). Dabei ergeben sich jedoch verschiedene Herausforderungen.
Die Herausforderungen der Wärmewende
Zunächst lässt sich Wärme im Vergleich zu Strom oder Erdgas nicht über weite Strecken transportieren. Neben dezentralen Einzellösungen gibt es hier die Möglichkeit einer zentralen leitungsgebundenen Wärmeversorgung – die sogenannten (Nah-)Wärmenetze. Um dem Wärmeverlust durch den Transport entgegenzuwirken, liegen bei der Versorgung die Erzeugungsanlagen und die Abnehmer*innen räumlich dicht beieinander (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022). Nahwärmenetze haben darüberhinaus das Potential, Erneuerbare Energien als Wärmequellen effektiv und kostengünstig in lokale Versorgungssysteme zu integrieren (Walter, 2017, S. 76). Eine Option, die in der Praxis bereits vielfach umgesetzt wird, wie bei den Nahwärmenetzen der Kirchengemeinde Lütau aus Herzogtum-Lauenburg oder der BürgerGemeindeWerke der Gemeinde Breklum.
Desweiteren entsteht für den Wandel des Wärmesektors ein erheblicher Koordinierungsaufwand zwischen den verschiedenen Akteur*innen – zwischen Kommune, Wärmeversorger*innen, Industrie, Handwerk und Bürger*innen. Die Einbindung aller Betroffenen ist dabei unabdingbar. Nicht zuletzt stellen die langen Investitionszyklen, sowie der hohe Kapitaleinsatz für die Anlagen der klimaneutralen Versorgung bis hin zur Infrastruktur eine Hürde für eine erfolgreichen Wandel dar (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022).
Ein strukturiertes Vorgehen scheint unerlässlich, um die finanzielle Planungssicherheit zu erhöhen, Fehlinvestitionen zu vermeiden und die einzelnen Akteur*innen in den Wandel des Wärmesektors effektiv mit einzubeziehen.
Politische Vorgaben in der Praxis umgesetzt
Zu einem zentralen Baustein der Wärmewende ernannt, soll die kommunale Wärmeplanung hier Abhilfe schaffen, als ein „informelles Planungsinstrument der Kommune zur langfristigen Gestaltung der Wärmeversorgung“ (AGFW & DVGW, 2023, S. 6). Die Erstellung einer solchen Planung ist durch das Wärmeplanungsgesetz (WPG) seit dem 01.01.24 verpflichtend für alle Bundesländer. In Schleswig-Holstein wurde bereits 2017 mit dem Energiewende- und Klimaschutzgesetz (EWKG) ein Fokus auf die Kommunale Wärmeplanung gelegt. Damit wurden zunächst die 78 größten Städte und Gemeinden des Landes verpflichtet bis 2024 bzw. 2027 eine solche Planung vorzulegen (Kroeske, 2023). Ziel ist es eine „ökologische, ökonomische, sozial verträgliche und versorgungssichere Wärmelösung als langfristige Perspektive“ zu erarbeiten (AGFW & DVGW, 2023, S. 6). Die hierfür notwendigen Informationen zu existierenden Strukturen, Potentialen und konkreten Maßnahmen werden im individuell erstellten Wärmeplan zusammengefasst.
Der Wärmeplan – als effektives Werkzeug
1. Datengrundlage
Die Grundlage der Planung bilden verschiedene Daten zu dem Wärmebedarf, -erzeugung und -quellen, sowie Daten zur existierenden Gebäude- und Versorgungsstruktur. Diese müssen von Verwaltung, Energieunternehmen (Netzbetreiber und/oder Stadt- und Gemeindewerken), sowie den Bezirksschornsteinfegern bereitgestellt (§ 7 EWKG) und anschließend zusammentragen werden. Hierbei kann in der Regel bereits auf existierende Daten zurückgegriffen werden, wie Bebauungspläne oder Luftbilder, die im Rahmen der Wärmeplanung nützlich sind.
2. Bestandsanalyse: Wärmebedarfe und -infrastruktur
Aufbauend auf den gesammelten Daten wird zunächst eine Bestandsanalyse durchgeführt. Dabei werden die aktuellen Wärmebedarfe und deren örtliche Verteilung von Wohn- und öffentlichen Gebäuden, sowie örtlichen Betrieben ermittelt. Darüber hinaus wird der Bestand zentraler Wärmeerzeugungsanlagen, lokaler Wärme- und Gasnetze, sowie individueller Anlagen, Solarthermieanlagen und Wärmepumpen ermittelt. Mit Hilfe dieser Daten ergibt sich ein Bild über den aktuellen Verbrauch und die bestehende Infrastruktur der Wärmeversorgung.
3. Potentialanalyse: Erneuerbare Energien und Gebäudeeffizienz
Auf Basis der Bestandsanalyse werden im nächsten Schritt die individuellen Potentiale einer klimaneutralenWärmeversorgung für die Gemeinde herausgestellt. Es werden sowohl Senkungen der Wärmebedarfe durch energetische Gebäudesanierung, als auch Nutzungspotentiale von Erneuerbaren Energien für die Wärmeversorgung in Betracht gezogen. Einige Beispiele für mögliche Wärmequellen sind Biomasse (z.B. Holz), Abfall, Abwärme, Umweltwärme oder Solarthermie. Desweiteren können auch Potentiale in der Bereitstellung von Wärme durch Strom mit Hilfe Erneuerbarer Energien wie Solar-, Wind oder Wasserkraft zur Senkung der Emissionen beitragen.
4. Räumliche Zukunftszenarien: Optionen für Wärmeerzeugungsanlagen, Nahwärmenetze und weitere Maßnahmen
Ausgehend von der Bestandsanalyse und den gegebenen Potentialen innerhalb der jeweiligen Gemeinde werden verschiedene räumliche Zukunftsszenarien für die treibhausgasneutrale Wärmeversorgung bis 2045 entwickelt. Dabei wird sowohl die Entwicklung der Wärmebedarfe dargestellt, als auch die zukünftige Versorgungsstruktur auf Basis alternativer Wärmeerzeugungsanlagen wie beispielsweise Wärmepumpen, Biomasse oder Solarthermie abgebildet. Die Konzepte sollen unter anderem deutlich machen, in welchen Gebieten eine zentrale Versorgung über Nahwärmenetze erfolgen soll oder wo dezentrale Lösungen sinnvoller wären, um die Energieeffizienz zu steigern. Über das Zielszenario der Treibhausgasneutralität bis 2045 sollen auch Szenarios für die Zwischenschritte entwickelt werden bis 2030 und 2040.
Mit Hilfe dieser einzelnen Schritte lässt sich für die Kommune ein Wärmeplan erstellen. Dieser orientiert sich an den individuellen Bedarfen und Potenzialen und bietet so einen individualisierten Fahrplan für den Wandel der Kommunalen Wärmeversorgung . Es handelt sich hierbei nicht um eine Detailplanung, welche die technisch-wirtschaftliche Machbarkeit der verschiedenen Maßnahmen abbildet. Die im Wärmeplan formulierten Maßnahmen können im Anschluss rechtsförmlich und verbindlich in Form von Bauleitungsplänen oder kommunalen Satzungen umgesetzt werden.
Vielfältige Chancen für Kommunen
Durch die strukturierte Erarbeitung der verschiedenen Zukunftszenarien und die Berücksichtigung der regionalen Potenziale und Bedarfe bietet die kommunale Wärmeplanung eine Möglichkeit, die Umstellung auf eine nachhaltige Wärmeversorgung in Gemeinden gezielt voranzutreiben (Energie- & Klimaschutzinitiative Schleswig-Holstein, 2021). Sie steigert die Sichtbarkeit einer umweltfreundlichen Wärmeversorgung vor Ort. Gleichzeitig unterstützt sie die lokale Wirtschaft durch Investitionen in moderne Technologien und Wärmenetze, sowie durch Kooperation von Unternehmen und Handwerk vor Ort. Dank der Nutzung erneuerbarer Energien werden stabile Wärmepreise gewährleistet und die Unabhängigkeit von externen Energiequellen gestärkt. Darüber hinaus ermöglicht die Integration der Wärmeplanung in andere städtische Entwicklungsprozesse und kommunaler Strategien für den Klimawandel eine effiziente Nutzung von bereits vorhandenen Ressourcen. Es besteht zudem die Möglichkeit der Zusammenarbeit von mehreren Kommunen, was vor allem für Landgemeinden von Vorteil sein kann (AGFW & DVGW, 2023).
Beratungs- & Finanzierungsmöglichkeiten
Der Weg von der Wärmeplanung bis zur Realisierung von Wärmenetzen ist mit großembürokratischem Aufwand und hohen finanziellen Mitteln verbunden. Für die Erstellung eines solchen Vorhabens muss im ersten Schritt ein Planungsbeschluss gefasst werden, der die notwendigen Kosten und Personal kalkuliert. Zudem muss ein Ingeneurbüro für die Umsetzung beauftragt werden. Als Unterstützung für die Kommunen wurde im April 2022 das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende in Halle (Saale) eröffnet. Es fungiert als bundesweite zentrale Anlaufstelle mit digitaler Plattform, Vernetzungsmöglichkeiten, sowie Informations- und Beratungsangeboten.
Für Kommunen in Schleswig-Holstein bietet die IB.SH Förderbank im Rahmen des Energie- und Klimaschutzinitiative des Landes ein umfassendes Beratungsangebot für die Erstellung eines Wärmeplans. Für kleinere Kommunen, die zur Zeit nicht verpflichtet sind eine Kommunale Wärmeplanung vorzulegen, gibt es die Möglichkeit einer entsprechenden Förderung für eine freiwillige Wärmeplanung (Kroeske, 2023).
Wärmewende in Bürger*innen Hand
Die Beteiligung der Öffentlichkeit und relevanter Akteursgruppen fördert die Transparenz und die Akzeptanz der Maßnahmen. Dabei sollten vor allem die Bürger*innen ernst genommen werden. Denn sie agieren nicht nur als Konsument*innen der Wärme, sondern sind zudem (potentielle) Investor*innen oder sogar Produzent*innen von (Wärme-)Energie (Müller et al. 2016). Es gibt bereits einige Beispiele, die zeigen, dass Impulse für Einzelprojekte oft von den Bürger*innen vor Ort ausgehen und die Kommune von den Fähigkeiten und dem ehrenamtlichen Engagement seiner Bürger*innen profitieren kann (Walter, 2017, p. 11).
Als Initiative bewirk wollen wir die Bürger*innen in den Gemeinden vor Ort stärken, die Wärmewende in ihrem Ort mitzugestalten. Die Bürger*innen aus Tangstedt machen es vor und bringen die lokale Wärmewende voran! Bei unserem ersten Netzwerktreffen der Wärmeinitiativen Schleswig-Holstein im Februar haben wir gemeinsam erarbeitet wie eine Wärmewende aus Bürger*innen Hand aussehen kann. Das wollen wir euch natürlich nicht vor enthalten! Also bleibt gespannt auf den Rückblick zu unserem Netzwerktreffen, wo wir euch die Ergebnisse präsentieren wollen, wie wir gemeinsam die Wärmewende vor Ort voranbringen können.
Weiterführende Materialien
Webseiten & Videomaterial
- Webseite Wärmewende.de
- Video zu Wärmeplan
- Grundkurs Wärmeplanung der Heinrich-Böll-Stiftung
- Webseite Kompetenzzentrum Kommunale Wärmeplanung
Lektüre zum Nachlesen
- Broschüre der Energie- & Klimaschutzinitiative Schleswig-Holstein 2021: Kommunale Wärme- und Kälteplanung in Schleswig-Holstein; Teil I: Was ist die kommunale Wärme- und Kälteplanung?
- Broschüre der Energie- & Klimaschutzinitiative Schleswig-Holstein 2021: Kommunale Wärme- und Kälteplanung in Schleswig-Holstein: Teil II: Wie wird ein kommunaler Wärme- und Kälteplan erstellt?
- Flyer des Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein 2014: Kommunale Wärmeplanung
- Leitfaden Wärmewende in Kommunen der Heinrich-Böll-Stiftung (2015)
- Leitfaden Kommunale Wärmewende strategisch planen (2024)
- Klimaschutz & erneuerbare Wärme. Beispiele, Aktivitäten und Potenziale für die kommunale Wärmewende vom Deutschen Institut für Urbanistik gGmbH
- Wärmeversorgung in Eigenregie – Erfahrungsbericht eines ehrenamtlichen Bürgermeisters aus Sprakebüll, S. 62-65
Quellen
- AGFW – Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V & DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. – Technisch-wissenschaftlicher Verein 2023: Praxis Leitfaden kommunale Wärmeplanung, https://www.dvgw.de/medien/dvgw/leistungen/publikationen/leitfaden-kommunale-waermeplanung-dvgw-agfw.pdf
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022: Diskussionspapier des BMWK: Konzept für die Umsetzung einer flächendeckenden kommunalen Wärmeplanung als zentrales Koordinierungsinstrument für lokale, effiziente Wärmenutzung, https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/diskussionspapier-waermeplanung.pdf?__blob=publicationFile&v=4
- Energie- & Klimaschutzinitiative Schleswig-Holstein (2021): Kommunale Wärme- und Kälteplanung in Schleswig-Holstein: Teil II: Wie wird ein kommunaler Wärme- und Kälteplan erstellt? https://www.eki.sh/fileadmin/user_upload/eki/downloads/211220_kommunale_waermeplanung_teil_2.pdf
- Energie- & Klimaschutzinitiative Schleswig-Holstein (2021): Kommunale Wärme- und Kälteplanung in Schleswig-Holstein; Teil I: Was ist die kommunale Wärme- und Kälteplanung? https://www.eki.sh/fileadmin/user_upload/eki/downloads/211220_kommunale_waermeplanung_teil_1.pdf
- Kroeske, Peer-Axel (03.07.2023) Kommunale Wärmeplanung in SH: So weit sind die größeren Orte, NDR, https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Kommunale-Waermeplanung-in-SH-So-weit-sind-die-grossen-Staedte,waermeplanung108.html.
- Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (2014) Kommunale Wärmeplanung https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/V/Service/Broschueren/Broschueren_V/Umwelt/pdf/FlyerKommunaleWaermeplanung.pdf?__blob=publicationFile&v=1
- Müller, Ria; Hildebrand, Jan; Dr. Rubik, Frieder; Rode, Diana; Söldner, Sigrid; Bietz. Sabine (2016) Der Weg zum Klimabürger. Empfehlungen aus dem Forschungsprojekt Klima-Citoyen, https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/BILDER_und_Downloaddateien/Publikationen/2016/Klima-Citoyen_Wegweiser_Klimabuerger.pdf
- Walter, Jan (2017) Klimaschutz & erneuerbare Wärme. Beispiele, Aktivitäten und Potenziale für die kommunale Wärmewende, Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Hrsg.) https://difu.de/publikationen/2017/klimaschutz-erneuerbare-waerme