Muss ich etwas wirklich besitzen, um es zu nutzen? Um diese Frage dreht sich das Konzept der Sharing Economy. Mit diesem Ansatz teilen und tauschen Verbraucher*innen Dinge, statt sie neu zu kaufen. Das kann Geld, Platz und Ressourcen sparen und das Gemeinschaftsgefühl stärken. Laut einer Studie der Verbraucherzentrale im Jahr 2015, sind die Deutschen auf jeden Fall bereit zu teilen: 88 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich vorstellen können, selbst Dinge zu verleihen. Wenn auch 79 Prozent davon nur an Personen, die sie kennen (Verbraucherzentrale Bundesverband, 2015).
Gerade Werkzeuge, Geräte für den Garten und den Haushalt und Medien aber auch Autos und Fahrräder werden dabei als besonders geeignet zum Teilen angesehen. Das ergibt auch Sinn, wenn man sich überlegt, dass zum Beispiel eine handelsübliche Bohrmaschine über ihre gesamte Produktlebenszeit hinweg (circa 15 Jahre) insgesamt nur 45 Stunden genutzt wird. Also nur rund 3 Stunden pro Jahr statt den möglichen bis zu 20 Stunden (ausgehend von einer maximalen Gesamtnutzungsdauer der Geräte von bis zu 300 Stunden; Behrendt & Behr, 2000). Jetzt könnte man denken, so viel und oft muss ich halt auch einfach nicht bohren. Aber der Knackpunkt liegt hier woanders: Wer könnte die Bohrmaschine in der Zeit noch alles nutzen, in der sie bei mir einfach nur im Schrank liegt? Die Idee des Tauschens und Teilens ist hier alt und in unserer kapitalistisch geprägten und neukauforientierten Gesellschaft wieder innovativ zugleich.
Nun ist es nicht unüblich, dass sich an diesem Punkt Unternehmen einschalten, um Sharing Angebote im großen Stil für die Verbraucher*innen zu schaffen. Die bekanntesten und beliebtesten Beispiele dürften hier Car- und BikeSharing aber auch das Teilen von Wohnungen und Unterbringung sein, z.B. via AirBnB. Auch wenn sich dadurch grundsätzlich ressourcenschonende und je nach Organisationsform auch gemeinschaftsbildende Effekte einstellen können, das „ist gar kein Teilen“, kritisiert Historikerin Luise Tremel von der Stiftung Zukunftsfähigkeit, wo sie gesellschaftliche Veränderungsprozesse erforscht (zitiert nach Oberhuber, 2016). Das sehen andere Sharing-Economy-Expert*innen ähnlich. Die kommerzialisierte Tauschökonomie ist mindestens fragwürdig, da hier der (Kauf-)Markt eigentlich nur um temporäre Benutzerrechte erweitertet wird, die ja aber ebenfalls verkauft werden. Weitere Problematiken, wie die Verdrängung von bezahlbaren Mietwohnungen durch profitablere kurzfristige Vermietungen via AirBnB haben wir wahrscheinlich alle schon einmal gehört. Aber wie funktioniert denn nun ‚richtiges‘ Tauschen und Teilen?
Außenansicht Leila Flensburg (Quelle: Leila Flensburg e.V.)
Zum Beispiel ganz einfach mal bei Freund*innen oder in der Nachbarschaft fragen. Oder mit Tausch- und Leihorten für die Gemeinschaft wie Bibliotheken, Leihläden und Verschenk- und Tauschschränken. Dieser Idee hat sich auch der „Leila“ in Flensburg verschrieben. Gegen einen kleinen monatlichen Beitrag können Mitglieder des Vereins sich alle Gegenstände im Leihladen in der Innenstadt von Flensburg ausleihen. Werkzeuge, Campingausrüstung oder besondere Küchengeräte, hier findet sich alles, was man eben nur manchmal braucht. Der Monatsbeitrag kann selbst gewählt werden und Menschen mit wenig Geld werden mit einem solidarischen Beitrag unterstützt.
Ein Leihladen oder auch eine „Bücherei der Dinge“ kann von einer eigenständigen Gruppe oder Organisation getragen werden oder das Angebot einer bestehenden Einrichtung wie z.B. einer Bücherei oder eines Umsonstladens ergänzen. Auch die Ausleihkonzepte variieren. So gibt es z.B. Mitgliederläden wie beim Leila oder Konzepte mit Leihgebühren. 2010 eröffnete der erste Leihladen in Berlin. Seitdem wächst die Zahl der Leih-Angebote in Europa stetig. Laut Leihladen Vernetzung gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz Ende November 2022 schon über 30 Leihläden.
Wir haben auch eine Podcast Folge mit dem Leila Flensburg produziert. Wie funktioniert das Konzept? Was sind die Herausforderungen? Und ist ein Leihladen auch in meiner Gemeinde möglich? Hört mal rein für Antworten!
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Aber es kann auch noch viel niedrigschwelliger funktionieren. Ein Tauschschrank für Bücher und anderes an einem öffentlichen Ort der Gemeinde oder in der Nachbarschaft aufzustellen schafft Anreize, Austausch und Möglichkeiten, aussortierte Besitztümer zum Tausch anzubieten. Beeindruckend zeigt auch der Kieler Kreisel, das mithilfe von Kleidertauschpartys und einer Facebook- und Whatsapp-Gruppe eine große Community entstehen kann. Hier werden bereits seit über 10 Jahren fleißig Dinge und Hilfe getauscht, verschenkt und verliehen.
Vielleicht gilt es also hauptsächlich die Nachbarschaft, das eigene Viertel oder die Gemeinde zu (re)aktivieren. Mithilfe einer einfachen Messenger Gruppe oder auch Portalen wie zum Beispiel www.nebenan.de ist das heutzutage digital schnell gelöst. Hier kann man sich registrieren, sich gegenseitig Hilfe anbieten, Dinge verschenken aber auch gemeinsam Feste organisieren. Doch auch der gute alte Aushang am schwarzen Brett im Miets- oder Gemeindehaus kann ein guter Start sein. Frei nach dem Motto: Hier gibt es etwas zu leihen, komm(t) vorbei! Ganz nebenbei lernt man auch noch die Menschen kennen, neben denen man lebt. Und vielleicht entsteht sogar eine neue Gemeinschaft. So macht tauschen, teilen, schenken und gemeinsam die Wirtschaft revolutionieren doch Spaß.
Quellen & weitere Informationen
Verbraucherzentrale Bundeszentrale, 2015: Infografiken zur Sharing Economy
Artikel „Gutes Teilen, Schlechtes Teilen“ von Nadine Oberhuber (ZEIT, 19.07.2016)
Übersicht der Leihläden im D-A-CH Raum von Leihläden Vernetzung